Die Vorgeschichte
Schon seit einigen Jahren gibt es im Bunker nun eine Telefonanlage, die verschiedene Kommunikationsdienste zur Verfügung stellt und es ermöglicht, dass die Personen, die sich dort aufhalten, mit einander kommunizieren können, ohne sich sehen zu müssen. Denn auf annähernd 2000 m² Fläche kann man sich schon durchaus längere Zeit getrennt von einander aufhalten, ohne sich zu begegnen.
Die Geschichte der TK-Anlage im Bunker beginnt in einer Zeit, noch bevor es den Verein „Der Bunker e. V.“ überhaupt gab, und ein paar Aktive den damaligen Verwalter des Gebäudes in ein paar technischen Fragen unterstützten.
Der Bunker hatte damals – wie heute – vor allem ein paar Eigenschaften, die ihn für ein Gebäude, das in privater Hand liegt und genutzt wird, einzigartig machen:
- Vorhandensein von Kuriositäten
- Vorhandensein mancher Dinge im Überfluss
- Vorhandensein gewisser Dinge im Überfluss, die mal sehr teuer waren
- viel Raum und viele Räume
Ein gutes Beispiel an dieser Stelle ist sicherlich der Raum des Dienstagstreffs. Heute liegen die vielen Commodore-Schätzchen irgendwo zwischen „Elektroschrott“ und „Liebhaberstück“, aber die ehemaligen Neuwerte der Sammlung hätten gut und gern eine sehr bequeme Altersversorgung dargestellt.
Mit wachsender Aktivität, vor Allem durch Aufräum- und Bauarbeiten, wuchs auch die Fluktuation der Bunkerbewohner unter den einzelnen Räumen und Etagen. Das bedeutete konkret: Man wusste, dass Person X eigentlich im Bunker anwesend war, musste aber im Zweifelsfall einmal durch den gesamten Bunker laufen, um sie zu suchen. War Person X jedoch gerade auch auf der Suche nach Jemandem (im Zweifelsfall nach einem selbst), entstand dank zwei getrennter Treppenhäuser und diversen Schleusen ein zeitraubendes Suchspiel.
Wenn zwei oder mehr Gruppen in zwei oder mehr getrennten Räumen an verschiedenen Projekten arbeiteten, ist man zwar zeitgleich im Bunker, aber man lebt dann eher an einander „vorbei“. Der Bunker wäre nicht der Bunker, wenn dafür keine technische Lösung gefunden werden könnte.
Vorgedacht hatte schon jemand, nämlich der damalige Verwalter des Gebäudes; dieser hatte ursprünglich damit begonnen, eine konventionelle Haussprechanlage der Marke Farfisa zu installieren. Dieses Projekt wurde jedoch nie vollendet. Da unter den Aktiven ein Faible für Telefone herrschte, lag die Idee, eine Telefonanlage zu installieren, also nahe.
Dieser Artikel gibt einen historischen Abriss über die Telekommunikationslösungen im Bunker, und wie die Beteiligten sich dem Thema „mittlere Telefonanlagen“ erstmalig erschlossen.
Somit haben wir zunächst überschlagen, wo überall Telefone wünschenswert wären, und kamen schnell auf etwa 20 Nebenstellen. An etwas modernes wie z. B. eine VoIP-Lösung oder eine zeitgemäße TK-Anlage war nicht zu denken, da nicht finanzierbar.
Es musste also eine Telefonanlage sein, die genug Potential für 20 und mehr Nebenstellen bietet und darüber hinaus eigentlich kaum Funktionalität zu haben brauchte.
Somit fielen eigentlich alle Telefonanlagen für den „Hausgebrauch“ weg, da diese in der Regel nicht mehr als 8 Nebenstellen bieten. Außerdem würde dem Gebäude nicht gerecht, irgendwo nur so eine kleine kümmerliche Eumex- oder Auerswald-Anlage aufzuhängen.
Dazu kommt, dass Telefonanlagen für den Hausgebrauch auch meist keine Systemtelefonie bieten. Funktionen wie interne Konferenzen, Anruferidentifizierung im Display und überhaupt anlagengespeiste Telefone mit Display sind dort nicht vorgesehen.
Die Wahl fällt auf Siemens
Bekannt war, dass Siemens-Telefonanlagen aufgrund ihrer großen Verbreitung einigermaßen häufig auf dem Gebrauchtmarkt zu finden sein dürften.
Vor Allem benötigten wir ja auch eine Anlage, zu der es die Systemtelefone möglichst günstig gab – da wir ja immerhin etwa 20 Stück benötigen würden.
Erste Recherchen ergaben, dass die erste Generation von ISDN-fähigen Telefonanlagen von Siemens die „Hicom Serie 100“ ist. Diese besteht aus den Modellen
Bild
Hicom 106, 110 und 120, 125 und 130. Die Anlage links auf dem Bild ist eine Hicom 125, die beiden rechten sind Typen darunter. Die Anlagen 106, 110 und 120 sind untereinander tlw. kompatibel, allerdings fast alle nicht ausbaufähig genug für die Ansprüche des Bunkers und ISDN-Amtsleitungen waren nur „nachgeschoben“ in einer Sonderversion der Hicom 120, genannt „Hicom 120 S0“, möglich.
Einzig die Hicom 120 böte Anschlussmöglichkeiten für bis zu 24 Telefone, ist aber leider nicht kompatibel mit dem aktuell eingesetzten ISDN-Protokoll DSS1 (sog. „Euro-ISDN“); es wird nur das alte, nationale Protokoll 1TR6 unterstützt. Ein späterer Anschluss an das öffentliche Telefonnetz war somit ausgeschlossen.
Somit fiel der Fokus auf das Anlagenpaar Hicom 125/130. Hier unterscheiden sich die Baugruppen in Bauform und Bezeichnung zu den anderen Anlagen. Die beiden Anlagen Hicom 125 und 130 sind unter einander kompatibel und unterscheiden sich praktisch nur in der Anzahl der Baugruppensteckplätze und der Gehäuseform. Die Hicom 125 ist ein reines Wandgerät, während die Hicom 130 ein reines Standgerät ist und vom Grundkonzept her Ähnlichkeiten mit der späteren Hicom 150E Modular, Hicom 150E Office Pro bzw. HiPath 3750 aufweist.
Diese Gehäuseform wurde lange beibehalten und erst mit der Siemens HiPath 3800, der späteren Unify OpenScape Business X8, wurde ein neues Gehäuse eingeführt, wenngleich das Grundkonzept beibehalten wurde.
Aber zurück zur Hicom 125: Wenn man eine Anlage mit einem ausreichend aktuellen Softwarestand erwischt, ist die Anlage auch in der Lage, Euro-ISDN zu sprechen.
Die Entscheidung für einen Anlagentyp war also gefallen.
Am Anfang war ein Systemtelefon
Der erste Baustein für die Bunker-TK-Anlage war ein Systemtelefon, denn genau das war das, was zu Beginn der eBay-Recherchen dort zu finden war. Inkl. Versandkosten wechselte das Telefon bereits für 7,80 € den Besitzer. Das aus heutige Sicht klobige Design ist sicherlich ein Zeitzeuge für das Industriedesign der 1980er Jahre:
Somit begann nun endgültig die Suche nach einer passenden Anlage. Erfreulicherweise stellte sich heraus, dass diese Hicom-Anlagen, oft mit etwas Zubehör wie z. B. einigen Telefonen, für um die 20 € bei eBay versteigert wurden. Somit bot man bei Auktionen immer nur bis zu etwa diesem Betrag mit. Eines Tages liefen fast zeitgleich zwei Auktionen aus – eine Hicom 125-Anlage inkl. einiger Telefone und eine Anlage ohne Zubehör. Für rund 50 € konnten beide Angebote erstanden werden.
Die Konfigurationssoftware für die Anlage war bereits vorhanden, allerdings stand ebenso fest, dass noch Serviceunterlagen benötigt würden, da sich aus der Programmiersoftware nicht erschließt, wie die Anlage funktioniert resp. zu programmieren ist. Diese Unterlagen sind natürlich nicht digital verfügbar.
Mit etwas Geduld konnte über eBay ein sehr gut erhaltenes Exemplar des Servicehandbuchs für 7,80 € erstanden werden.
Die Ersteigerung von gleich zwei Anlagen stellte sich direkt als weise Entscheidung heraus, da leider das Netzteil einer Anlage einen Defekt hatte.
Auch die insgesamt 20 Telefone waren leider nicht alle in gutem Zustand, es waren auch ein paar defekte dabei bzw. welche, bei denen das Gehäuse durch den Transport Schäden erlitten hatte.
Wer noch nicht viel Erfahrung mit größeren TK-Anlagen hat, ist schnell überrascht, dass diese keinen direkten Anschluss für Telefone mitbringen. Der Anschluss von Geräten an die Hicom 125 erfolgt über vieladrige Kabel, die über spezielle Steckverbinder an die Anlage angeschlossen werden. Diese nennt man bei der Hicom 125/130 auch 16DA-Stecker (später auch CABLU, kurz für Cabling Unit). Sprich: rückwärtig auf der Backplane sind an den Baugruppensteckplätzen jeweils proprietäre Steckverbinder angebracht. Bei einer Anlage waren Stecker mit jeweils Kabelstücken dabei, die bei der Demontage der Anlage abgeknipst wurden. Hier wäre dann der Ansatz gewesen, all diese Kabel abzusetzen und dann im Anlagengehäuse in dem spärlichen Platz LSA-Leisten anzubringen, um dann von dort aus längere Leitungen auflegen zu können. Das wäre alles in allem eine reichlich fummelige Angelegenheit geworden.
Zwar waren die Kabel noch neu erhältlich, die Preise rangierten aber bei etwa 30 € pro Kabel. Da mindestens 5 davon benötigt wurden, um die Anlage mit der benötigten Ausbaustufe beschalten zu können, wäre man schon bei Kosten von etwa 150 € gewesen – und damit mehr, als der ganze Rest in Summe überhaupt hätte kosten sollen. Also doch Fummelarbeit?
Die Sammung wird komplettiert
Wie der Zufall es so wollte, ergab sich per Privatverkauf für angenehme 25 € der Zukauf der benötigten Kabel, und zwar inklusive dem zugehörigen originalen Hauptverteiler von Siemens. Das bedeutete eine enorme Arbeitserleichterung.
Mit dem Erwerb des Verteilers war also ein Problem gelöst, dafür gab es die nächste Herausforderung. Siemens hat lange vor heute verbreiteten „LSA+“-Technik eine eigene LSA-Technik entwickelt: die „Trennleiste 71“ (TrL 71 abgekürzt). Diese Technik existiert heute noch in den großen Telefon-Schaltstellen der Telekom (Hauptverteiler, HVt). Um die Leitungen ordnungsgemäß auflegen zu können, wurde also ein passendes Auflegewerkzeug notwendig. In der einfachsten Variante wird man hier auch um die 50 € los, aber mit etwas Geduld sollte auch hier ein Auktionshaus helfen. 5,90 € später war auch ein original Siemens TrL71-Auflegewerkzeug erworben.
Einen großen Karton mit 20 Systemelefonen gab es dann noch für weitere 14,95 €.
Bevor alles im Bunker bereitgestellt wurde, stand zunächst eine längere Testsitzung an.
Test und Inventarisierung von Anlage und Endgeräten
Das sicherlich markanteste Endgerät der Hicom 100-Serie: das Ultraset memory. Anlagenseitig kann das riesige Display leider nicht genutzt werden. Nur für das telefoninterne Telefonbuch kann es voll ausnutzen.
Test der Endgeräte: viele ältere Endgeräte wollen auf Vollständigkeit und Funktion überprüft werden. Glücklicherweise bietet die Anlage den sogenannten Eigentest, der auf einfache Weise LCD, LEDs und Wecker testet:
Ein Berg Telefone: diverse Auktionen brachten gut über 20 Systemtelefone im technischen Bestzustand hervor:
Ein wenig Ärger machten zunächst die beiden Netzteile der ersteigerten Anlage+Ersatzanlage. Hier hatte man aber schon wartungsfreundlich gearbeitet: es gibt nicht nur Kontroll-LEDs für alle Teilspannungen sondern auch Metallstifte zum Anschluss von Messklemmen:
Die Telefone wurden alle inventarisiert und getestet. Es stellte sich heraus, dass 20 sofort einsetzbare Telefone verfügbar waren. Es fiel die Entscheidung, ausschließlich auf Systemtelefone vom Typ „Ultraset 151 T28 FD“ zu setzen, also ein Systemtelefon mit zweizeiligem Display und 16 Funktionstasten, das zweitgrößte Modell, das man für die Anlage kaufen konnte.
Pläne werden gemacht
Der nächste Schritt erfolgte, auch der Schlachtplan genannt: Auf wenigen Blättern Schmierpapier wurde das Projekt der Hicom 125 entworfen, geplant und initial dokumentiert. Dieser Projektplan wurde über Wochen gepflegt und war zum Schluss deutlich davon gezeichnet – markant übrigens auch die Spuren der angerosteten Büroklammer auf dem ersten Blatt.
Ein besonderes Schmankerl: diese per Hand aufgeschriebene Tabelle zeugt davon, dass es eine Zeit gab, in der es im Bunker weder einen Drucker noch gescheite Kugelschreiber gab. Man musste also nehmen, was da war, um – wie hier – die Auszählung des 20 DA-Kabels zwischen EG und 2. OG zu notieren — mit rotem Buntstift.
Alt-Verdrahtung re-dokumentieren und umschalten
Die Reise ins Land der unbekannten Verdrahtung beginnt. Die für eine konventionelle Haussprechanlage zu großen Teilen fertig gestellte Verkabelung wollte umgenutzt werden: dumm nur, dass bei den Fernmeldeleitungen die jeweils weißen Adern alle zusammengeführt wurden und somit keine Verpaarung mehr bestand.
Audio lässt grüßen: aus Unwissen, Perfektionismus, Geldmangel oder einer Kombination daraus wurden, wie in der Audiotechnik üblich, alle Leitungsübergänge verlötet. Hier mit selbst geätzten Platinenstücken. Aus Geldmangel wurden bei der Inbetriebnahme der Hicom 125 keine Adernverbinder angeschafft, sondern die vorhandenen Lötverbinder wieder verwandt.
Der Siemens MDFU (Main Distribution Frame, Universal). Glücklicherweise konnte eine vorverkabelte Version mit genügend Systemkabeln erstanden werden. Hier zu sehen direkt nach der Montage mit noch vorhandenen Rangierleitungen vom Vorbesitzer (bündig abgeknipst).
Ein Krone 100 DA-Verteiler, wie er auch in den Straßenverteilern der Telekom (KVz) zum Einsatz kommt, wurde eingesetzt, um eine 20 DA-Leitung zwischen Erdgeschoss und 2. OG auflegen zu können.
Ein erstes Resümee
7 Monate nach Ersteigern des ersten Systemtelefons ist der Zeitpunkt gekommen, die Anlage am Ort des Geschehens in Betrieb zu nehmen. Drei Helfer und ein Samstag genügten, um die Anlage aufzuhängen und grundlegend anzuschließen.
Ein paar Telefondosen sowie ein 20 DA-Telefonkabel mussten noch angeschafft werden, und dann war das nötige Material vorhanden, um den damals anschlusstechnischen Schwerpunkt, die zweite Etage, mit genügend Nebenstellen versorgen zu können.
Nach viel Schrauberei, Testerei und dem massiven Einsatz des Kurth Klingeltesters war die Bestandsverkabelung dokumentiert.
Die Gegensprechanlage war als Bus ausgelegt, die Telefonverdrahtung musste aber in Sternverdrahtung erfolgen und benötigte pro Systemtelefon (leider, dazu später mehr) 4 Adern. Mit der Bestandsverkabelung ließ sich so zumindest eine Grundversorung herstellen.
Somit hatte die Sache aber zunächst einen gewaltigen Pferdefuß – oder Lötfuß, sozusagen.
Somit verfügten wir nach etwa einem Monat Bauphase nun erstmals über die Möglichkeit, uns im Bunker intern verständigen zu können. Ein ziemliches Problem kommunikationshalber war aber immer noch ungelöst: die Türklingel. Es gab nachwievor das Problem, dass Personen, die vor der Tür stehen, sich bemerkbar machen können sollten. Eine konventionelle Klingelanlage (mit eigenen Leitungen) wäre ein großer, zusätzlicher Verdrahtungsaufwand, was lag also näher, ein Systemtelefon der TK-Anlage ein klein wenig zweck-zu-entfremden?
Man nehme ein Systemtelefon, finde die Matrixverschaltung der Funktionstasten für die gewünschte Anzahl an Klingelknöpfen heraus und verschalte das bereits vorhandene Klingeltableau entsprechend. Somit hatten wir auch dieses Problem gelöst.
Hicom 125 im Betrieb
Zunächst waren die Telefone noch auf kleinen Tischen untergebracht.
Viel Geduld und eBay machten es möglich: ein paar original Siemens Wandhalterungen für die Systemtelefone konnten beschafft werden und erlaubten eine optimierte Montage:
Zweites Resümee und neue Anforderungen
Schließlich hat der Bunker seinen Besitzer gewechselt und befindet sich fortan im Besitz des „Der Bunker e. V.“. Der Bunker ist seit längerem über das öffentliche Telefonnetz erreichbar. Dazu wird ein kleiner PC betrieben, auf dem die auf Asterisk basierende VoIP-Telefoniesoftware Askozia läuft. Diese wird dazu eingesetzt, ein SIP-Amt in einen simulierten ISDN-Anlagenanschluss zu wandeln.
Aus dem Besitzerwechsel und neuen Ideen zur Nutzung und Umbauten resultierte einerseits, dass davon auszugehen ist, dass langfristig jeder Raum genutzt werden können soll. Im Zuge von Bauarbeiten und der Neuausrichtung der Leitungsnetze des Gebäudes ergab sich, dass die Telefonanlage an einem anderen Standort vorgesehen ist. Die Anlage muss also einerseits umziehen und andererseits noch stärker erweitert werden können. Jedoch bahnte sich hier ein Problem an:
Der Weg des geringsten Widerstandes zur Aufrüstung gewesen, aus der Hicom 125 eine Hicom 130 zu machen: lediglich das Anlagengehäuse plus Netzteil wären nötig gewesen und es hätte umgerüstet werden können, denn genug Baugruppen wären noch vorhanden gewesen. Möglich wären damit bis zu 64 Systemtelefone gewesen.
Allerdings: Teile für die Hicom Serie 100 waren mittlerweile noch ein bisschen seltener geworden. Statt bei „immer mal wieder“ lag die Häufigkeit von eBay-Angeboten mittlerweile bei „selten“.
Ein weiteres Problem dabei: die 4-drähtige Anschaltung von Systemtelefonen.
Bei diesem Anlagentyp arbeitete Siemens mit einer Kombination aus konventionellem analogen a/b-Port und zwei“Datenadern“, über die Displayinhalte und die Steuerung der Tasten/LEDs erfolgen.
Da die Nachfolgegenerationen nur noch zweiadrig angeschaltet werden, lohnte es sich, den Wechsel zu einer moderneren Anlagengeneration in Betracht zu ziehen. Schließlich kann man die Hälfte Adern sparen bzw. bei gleicher Anzahl Adern die doppelte Anzahl Systemtelefone versorgen. Dazu kommt, dass die Geräte der Nachfolgegeneration zusätzlich die Möglichkeit von Erweiterungsadaptern bieten: an einem Optiset E-Endgerät kann man per Adapter ein weiteres Systemtelefon ohne große Einschränkungen anschalten. Ein Büro mit zwei Systemtelefonen lässt sich so problemlos mit nur einer DA versorgen.
Dazu kam, dass die Hicom 130 offenbar garnicht auf dem deutschen Markt vermarktet worden und somit und somit noch seltener war.
Die Suche nach einem geeigneten Telefonanlagentyp begann also aufs Neue. Aufgrund der gleichen Ausgangslage (viel Anlage für wenig Geld) sollte die Wahl wieder auf Siemens fallen. Als Anlagentyp war zunächst eine Hicom aus der Serie 100E im Gespräch. Diese ist hinreichend verbreitet, was bedeutet, dass vor allem auch viele Menschen mit Programmiererfahrung verfügbar sind, was bei der Hicom 125 zum Schluss ebenfalls nicht mehr ganz so leicht war. Jedoch stellte sich schnell heraus, dass die größte Variante aus der 100E-Serie benötigt worden wäre: das Modell 118E mit 6 UP0-Anschlüssen auf dem Mainboard und 4 Erweiterungsslots. Dort wären dann 3 Stück SLU8 (jew. 8 Systemports) und eine ISDN-Baugruppe STLS4 steckbar gewesen, es wären also gerade einmal 30 Systemtelefone direkt anschaltbar gewesen.
Es stellte sich dann heraus, dass die nächst-größere Version und der größenmäßig ebenbürtige Nachfolger der Hicom 125/130, eine Hicom 150E bzw. Office Pro, mittlerweile auch recht günstig, also für um die 100 €, zu haben war. Für etwa 150 € konnte eine Hicom 150E Office Pro mit Rls. 2.2 erworben werden.
Die Hicom 150 OfficePro
Teil der ersteigerten Anlage war im Übrigen eine DECT-Baugruppe SLC16 sowie ein DECT-Kanalelement BS 2. Hier kam erstmals die Idee auf, einzelne Bereiche des Bunkers mit DECT-Schnurlostelefonie auszustatten, um nicht allzu viel Telefonkabel verlegen zu müssen. Außerdem erwiesen sich schnurlose Telefone bei Arbeiten als sehr praktisch, um direkt zwischen zwei Stellen einer Baustelle kommunizieren zu können.
Es kommt anders…
Auf der Suche nach Möglichkeiten zur Firmwareaktualisierung entstand ein Kontakt zu Mathias Herbers von telefonanleitungen.de. Im Gespräch empfahl er, statt der Hicom auf eine Telekom Octopus E Modell 300/800 zu setzen.
Diese Anlage unterstützt die gleichen Peripherie-Baugruppen wie die Hicom 150E OfficePro / Hicom 150H / HiPath 3750 / HiPath 3700, basiert aber auf einer leicht anderen Backplane, einem etwas anderen Netzteil und einer völlig anderen Steuerbaugruppe.
Dazu kurz etwas zur Herkunft dieser Anlage:
Die Telekom hat selbst nie wirklich Hardware hergestellt, sondern meist herstellen lassen und unter eigenen Namen vermarktet. Ein paar der Produktnamen sind zum Beispiel Amex (Klein-Telefonanlage für den *a*nalogen Amtsanschluss), Eumex (Klein-Telefonanlage für den *Eu*ro-ISDN-Anschluss) und Octopus (Telefonanlage für den geschäftlichen Bereich).
Siemens hat sehr viele Anlagen für die Telekom gebaut, die sich oftmals nur in der Produktbezeichnung unterscheiden und vollkommen baugleich sind, das trifft z. B. für viele Hicom- und HiPath-Anlagen zu. Die Octopus E Modell 300/800 ist hier aber ein Unikum.
Dazu holen wir noch etwas weiter aus:
Die Firma Nixdorf Computer brachte 1981 die DVS 8818 (Digitales Vermittlungssystem) auf den Markt, die erste von der Post für ISDN zugelassene Nebenstellenanlage. Die 8818 ist in vielen Punkten äußerst leisungsfähig, wenn nicht leistungsfähiger als alle anderen Anlagen ihrer Zeit oder danach.
So ermöglicht sie in der jüngeren Generation die Vernetzung von bis zu 255 Anlagen mit einander zu einem Verbund, der sich zentral von einem Knoten aus administrieren lässt. Die 8818 wurde auch als „octopus 8818“ bei der Telekom vermarktet und war dort sehr erfolgreich.
Weitere Informationen zur Nixdorf 8818 gibt es auf Mathias Webseite:
Aus Erzählungen heißt es:
Im Jahr 1990 hat Siemens die Firma Nixdorf gekauft und sie in Siemens Nixdorf zusammengeführt. Da Siemens gerade dabei war, eine neue Telefonanlage zu entwickeln, aus der später die Hicom 150E wurde, sollte die 8818 eingestellt werden, da man keine Konkurrenz im eigenen Haus wollte. Siemens hatte mit dem Kauf von Nixdorf allerdings Verträge übernommen, die Nixdorf mit der Telekom bezüglich der 8818 abgeschlossen hatte. Nach einem Rechtsstreit wurde Siemens dazu gezwungen, eine Anlage anzubieten, die sich wenigstens mit der gleichen Software programmieren ließ wie die 8818.
Dies führte dazu, dass eine Gruppe von ehemaligen Nixdorf-Ingenieuren bei Siemens, auf Basis der Peripherie für die 150E, also den aus der Hicom/HiPath-Welt bekannten STMD, SLA, SLMO usw., eine Steuerbaugruppe entwickelten, die mit dem gleichen Betriebssystem der 8818 arbeitete.
Diese Anlage hieß werksintern „Siemens A6“ und wurde exklusiv für die Telekom produziert, eben unter der (etwas sperrigen) Bezeichnung „Telekom Octopus E Modell 300/800“.
Die Anlage basiert in der letzten Steuerbaugruppen-Generation (CCU3) auf einem 486er-Prozessor und stützt sich auf eine SCSI-Festplatte mit mehreren GB Kapazität; typischerweise wurden IBM-Festplatten mit 2 GB oder mehr verbaut. Auf dem Steuerrechner läuft ein von Nixdorf entwickeltes Echtzeitbetriebssystem namens NICOS. Die Anlage wird komplett in Deutsch und dialoggeführt über eine Terminalemulation, oder per Hardwareterminal, programmiert.
Der Teil „300/800“ in der Modellbezeichnung hat die folgende Bewandnis: in der Grundausstattung der Steuerbaugruppe lassen sich 300 (bzw. eigentlich 384) Nebenstellen betreiben, mit einer als Subbaugruppe steckbaren Koppelfelderweiterung sind 800 NSt. möglich.
Obwohl diese Anlage 2006 das letzte Softwareupdate erfahren hat, gibt es ein paar Details, in denen die E300/800 den HiPath-Anlagen ihrer Zeit und teilweise selbst der HiPath 3800/OSBiz X8 überlegen ist:
Die HiPath 3750/3700 unterstützt maximal zwei Erweiterungsgehäuse pro System und es gibt pro System nur einen PCM-Highway. Baugruppenlatz 7 und 8 in allen 3 Gehäusen zusammen teilen sich nur 64 B-Kanäle.
Bei der E300/800 wiederum wird jedes Gehäuse mit einem eigenen Highway versorgt und es werden drei Erweiterungsgehäuse statt nur 2 unterstüzt.
Die Openscape Business X8, der Nachfolger der HiPath 3800, unterstützt 384 Systemteilnehmer maximal.
Eine anlagenübergreifende Vernetzung ist nur bei der HiPath 3000 durch Einsatz eines zusätzlichen Servers, dem HiPath 5000 RSM, möglich.
Die Octopus E Modell 300/800 nutzt die gleichen Peripheriebaugruppen wie die Hicom- / HiPath-Anlagen und es gibt z. B. eine Baugruppe, die extra für die E300/800 entwickelt wurde: da es in der 8818 S0-Systemtelefone gab, die weiter unterstützt werden sollten, hatte man die Notwendigkeit, gespeiste S0-Busse anbieten zu können. Aus diesem Grunde gibt es die STMS8: die Baugruppe ist im Prinzip eine STMD8, aber mit 8 gespeisten S0-Bussen.
Siemens-Anlagen sind erst ab den neueren Firmwareversionen in der Lage, bei Optiset E Memory-Endgeräten auch mehr als zwei Zeilen des Displays anzusprechen. Darüber hinaus sind die 4 Funktionstasten links nicht programmierbar. Auf Anfrage hat Siemens oft die Begründung genannt, das Endgerät würde dies nicht unterstützen. Nun, die E300/800 kann genau das: alle Funktionstasten sind ohne Einschränkungen programmierbar und bei Optiset E Memory-Endgeräten wird das Display grundsätzlich voll ausgenutzt!
Bei Hicom-Anlagen gibt es z. B. auch eine Beschränkung bezüglich der Funktionstasten-Erweiterungen. Meist gibt es eine Maximalanzahl an Tastenerweiterungen pro System. Bei der E300/800 werden an jedem angeschlossenen Systemtelefon vier solcher Tastenerweiterungen unterstützt.
Die E300/800 nutzt zwar die gleichen Baugruppen wie ihre Schwesteranlage, allerdings kommt eine andere Loadware zum Einsatz, die mehr Leistungsmerkmale bietet: Während eine Hicom sämtliche gesteckte Baugruppen voll hochfährt und auf allen Ports die Spannungsversorgung aktiviert, aktiviert die E300/800 nur die Ports einer Baugruppe, die auch in der Anlage konfiguriert sind. Sind keine Ports auf einer Baugruppe konfiguriert, wird die Baugruppe erst gar nicht komplett hochgefahren.
Aber zurück zum Bunker:
Auch Mathias fand ebenfalls schnell Gefallen an der Idee, im Bunker DECT einzurichten und hat eine DECT-Ausleuchtungsmessung durchgeführt. Das Ergebnis: der Bunker ist zumindest innen für DECT überraschend HF-durchlässig, sodass eine vollständige DECT-Ausleuchtung mit vertretbarem Aufwand möglich wurde. Nach etwa einem Jahr Vorbereitungszeit ging die Octopus E300/800 in Betrieb und einige Monate später waren alle Nebenstellen umgezogen, sodass die Hicom 125 außer Betrieb genommen wurde.
Die DECT-Versorgung im Bunker ist eine der wertvollsten Errungenschaften. Speziell bei den vielen Bau- und Aufräumarbeiten, die verteilt im Bunker statt finden, ist es eine extreme Arbeitserleichterung, nicht immer bis zum nächsten schnurgebundenen Telefon laufen zu müssen. So können beim Verfolgen von Leitungen, Bohrarbeiten und sonstigem zwei Personen an zwei Orten stehen und mit einander während ihrer Arbeit kommunizieren.